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Shannon - oder die Ausbildung zum Katastrophenhund

Shannon wurde am 28. August 1995 in Camberley, in einem kleinen englischen Reihenhaus geboren, wo sie zusammen mit ihrer Mutter, 3 Geschwistern, zwei Katzen und einem English Springer Spaniel die ersten 8 Wochen ihres Lebens verbrachte. Die kleine Irish Setter-Familie genoss die vollste Aufmerksamkeit des Ehepaars Straughair und durfte das ganze Haus als ihr eigen benutzen!

Am 1. September 1995 musste ich meine Irish Setter Hündin Amber im Alter von 10 ½ Jahren wegen eines aggressiven Krebstumors einschläfern lassen. Es war mir klar, dass möglichst bald wieder ein Setter ins Haus musste und so rief ich meine Bekannte in England an, Christine Heron von Caskeys Irish Setters. Sie hatte zwar keinen Wurf, sagte aber, dass ihr Rüde ‘Caskeys Blarney’ eben Vater geworden sei. Die Welpen seien aber erst ein paar Tage alt.

Das Warten schien unendlich, doch nach einigen Wochen (und vielen Telefongesprächen mit der Züchterin Kate Straughair) konnte ich mich ins Flugzeug setzen und die kleine Shannon von ihrer Familie weg in die Fremde holen. Ich hatte das Glück, dass die Swissair mir erlaubte, den Welpen in einer Spezialtragtasche bei mir in der Kabine zu haben. Aus Sicherheitsgründen (!) wünschte die Stewardess vor Abflug, dass ich die Tasche für Start und Landung versorge: ich müsse den Hund auf dem Schoss halten... Der Flug verlief ereignislos, nur Klein-Shannon tobte und war wütend, dass sie nicht herumtoben durfte.

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  Shannon und ich kommen in Zürich an

Die ‘tobende, freche und dominante Shannon’, daran mussten wir uns erst mal gewöhnen, kannten wir doch die Irish Setter als liebliche, treue Seelen, die man nicht zu harsch anfassen darf... (Shannon ist die vierte Irish Setter Hündin in unserer Familie). Shannon forderte uns vom ersten Tag an heraus: ‘In-die- Hände-beissen’ war ihr grösstes Vergnügen, gefolgt von wilden Sprüngen auf das Sofa, von wo sie sicher 50 Mal am Nackenfell gepackt, geschüttelt und wieder auf den Boden gesetzt wurde. Da heisst es doch in der Hundeliteratur ein Welpe brauche viel Schlaf - Shannon hatte leider nicht die selben Bücher gelesen.

Doch auch Shannon lernte. Denn es sollte ja noch viel auf sie zukommen! Nachdem ich mit ihrer Vorgängerin Amber viele Prüfungen abgelegt hatte (v.a. als Sanitätshund, aber auch Jagdprüfungen), wollte ich mit Shannon nicht untätig sein. Das hochgesteckte Ziel lautete jetzt ‘Katastrophenhund’. Ich wusste, dass die ersten 12-16 Lebenswochen den Welpen prägen. Also wurde die kleine Shannon nun an alles mögliche gewöhnt. Schon früh fuhr ich mit ihr per Bahn, Bus, Tram oder Auto in die Stadt, spazierte mit ihr an Baustellen vorbei, besuchte Bauernhöfe, Kleintierzuchten, Einkaufsläden, Bahnhöfe u.v.m. immer äusserst darauf bedacht, dass sie alles nur positiv erlebte und keine schlechten Erfahrungen machen konnte. Selbstverständlich besuchte ich mit ihr die Welpenspielstunden, wo sie sich im artgerechten Umgang mit ihren Hundefreunden üben konnte. Auch der menschliche Kontakt kam nie zu kurz, wurde der kleine Welpe doch zu Hause, unterwegs, im Zug, im Büro, kurz überall von allen Leuten flattiert und verwöhnt.

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Shannon entdeckt die Welt

Mit 12 Wochen hatte Shannon ihren ersten Arbeitstag im Büro! Ich habe das grosse Glück, dass ich den Hund zur Arbeit (Teilzeit) mitnehmen kann. Vom ersten Tag an war Shannon ein voller Erfolg! Da ich an einer sozialen Institution arbeite, gibt es hier sehr viel Kontakt mit behinderten Menschen, die fast alle eine grosse Freude daran haben, einen freundlichen Hund zu flattieren. Viele Menschen werden viel entspannter und gesprächiger, wenn sie den Hund sehen.

Mit diesen Erfahrungen, die der kleine Welpe früh machen konnte, waren die idealen Voraussetzungen gegeben, um mit Shannon die Ausbildung zum Katastrophenhund (KH) zu wagen.

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‘sehen und staunen’

Ein Katastrophenhund soll in der Lage sein, ein Trümmergebiet nach menschlicher Witterung abzusuchen, ohne sich von Lärm, Gestank, Rettungs-mannschaften u. ä. ablenken zu lassen. Der Hund soll sich sicher im Trümmer-gelände bewegen, selbständig suchen und den Verschütteten durch Scharren, Bellen und Eindringverhalten anzeigen. Eine ausdauernde Suche bei erschwerten Bedingungen ist sehr wichtig, also muss der Wille zum Finden gross sein. Der Hund soll führig sein und dennoch selbständig arbeiten. Aus diesen Anforderungen heraus wurde die Prüfungsordnung für Katastrophenhunde erstellt. Diese Prüfung beinhaltet folgende Fächer:

  • eine recht anspruchsvolle Unterordnung

  • einen Hindernisparcours, wo das ruhige Begehen von Hindernissen geprüft wird (Klettern, Begehen von unangenehmem Material, Gleichgewicht auf schmalen Passagen, Wippe u.v.m.)

  • ein Test der Führigkeit (der Hund wird, nach Anleitung des Richters, von einem Kreis aus auf drei Hindernisse geschickt, währenddem der Hundeführer abseits steht und den Hund aus der Distanz einweisen muss)

  • Die Suche: Suchen und Anzeigen von zwei verschütteten Personen, wobei der Hund ein grosses Trümmergebiet absuchen und innert 20 Minuten die beiden verschütteten Personen mit Bellen und Scharren anzeigen muss.

  • eine Anzeigeübung

Dies war also das (Teil-) Ziel, das ich mit Shannon anstrebte. Noch keine 10 Wochen alt, durfte sie schon mir oder meinem Mann nachspringen, um sich ihre Mahlzeiten zu verdienen. Bald schon konnten wir uns verstecken, und Klein-Shannon suchte eifrig und mit Elan und wurde mit feinen Leckerbissen belohnt. Als nächstes versteckten wir uns in baufälligen Hütten, in Betonröhren, in einer Holzkiste, oder ähnlichem. Shannon’s Wille zum Suchen war immer enorm und dieser Wille ist ihr auch jetzt geblieben. Lautgeben wurde separat geübt:: das Spielzeug oder das Fressen erhielt nur, wer bellen konnte!

Mit 7 Monaten galt es dann Ernst: wir durften der Regionalgruppe Bern von Redog (ehem.: Verein für Katastrophenhunde) beitreten und an deren Übungen teilnehmen. Bedingung: innert eines Jahres eine Sporthundeprüfung mit AKZ bestehen. Auf dem Trümmergelände der Armee in Wangen a. d. Aare wurden die Übungen schwieriger, und das Trümmergelände wurde öfters gewechselt, damit sich Hund und Führer immer wieder in neuen Situationen zurecht finden mussten. Dank ihrer grossen Freude an allen Menschen lernte Shannon sehr schnell, dass sie die vergrabenen Personen suchen durfte und von diesen mit Lob und Wurst belohnt wurde. Bald wurden die geforderten Suchzeiten länger, das Gelände schwieriger.

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Shannon bei der Arbeit

In der Zwischenzeit durften wir natürlich auch zu Hause nicht ruhen, war doch die Bedingung der Sporthundeprüfung noch nicht erfüllt. Im November ‘96 legten wir dann gemeinsam die Begleithundeprüfung ab und bestanden die Prüfung mit der Bewertung ‘sehr gut / AKZ’ (= Ausbildungskennzeichen). Der nächste grosse Tag war am 1. März ’97, als es galt, den KH-Test für den Übertritt von der Anfängergruppe in die Mittlere Gruppe zu bestehen. Shannon schaffte auch diese Hürde. Nun wurden die Übungen wiederum anspruchsvoller, und auch die Hundeführer wurden vermehrt gefordert.

Nebenbei übten wir für die erste Sanitätshunde-Prüfung, welche Shannon im. November ’97 wiederum mit AKZ bestand.

Dann war es soweit! Nach gut 2 Jahren intensiven Trainings stand uns die erste KH-Prüfung bevor. Leider klappte es nicht auf Anhieb: Trotz guter Arbeit und intensiver Suche wurde uns ein in drei Metern Höhe versteckter ‘Verschütteter’ zum Verhängnis - trotz Witterung fand Shannon den Weg über die Betonpfeiler hinauf nicht und die Person galt somit nicht als ‘gefunden’. Frohen Mutes starteten wir eine Woche später am 6. Juni ’98 an der KH-Prüfung in Riedbach/BE. Gross war die Nervosität, als wir vor der Suche in allen anderen Fächern geprüft wurden. Alles schafften wir, nun stand die Suche bevor. Mit viel Elan ging Shannon an die Arbeit und siehe da: nach 15 Minuten fand Shannon auch die zweite verschüttete Person und bellte und scharrte, wie sie es gelernt hatte. Shannon hat die Katastrophenhunde-Prüfung im 5. Rang (von 25 Hunden) mit AKZ bestanden! Riesig ist meine Freude, dieses Ziel mit Shannon erreicht zu haben.

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auf der Leiter lernt der Hund mit den Hinterpfoten ‘spüren’

Mit dem Bestehen einer weiteren KH-Prüfung hatte Shannon die nötigen Voraussetzungen für die Zulassung zum Vortest für die Einsatzfähigkeit erfüllt. Jedoch zeigte sich bei weiteren Uebungen, dass Shannon und ich noch nicht über die nötige Sicherheit für den Einsatztest verfügten. Ich hoffe, dass Shannon mit ihrem Finderwillen im nächsten Jahr den Weg dorthin finden wird.

In der Zwischenzeit bestand Shannon zu meiner grossen Freude den Einsatztest der Redog für Flächensuchhunde. Nur zwei Tage nach dem Einsatztest kam das erste Aufgebot für die Vermisstensuche, wo Shannon ihre ausgezeichnete Setternase im Ernstfall einsetzen musste.

A propos Setternase: Shannon bleibt trotz vielseitiger Ausbildung ihren Ahnen treu und zeigt mir immer wieder mit eindrucksvollem Vorstehen, dass noch eine andere Passion in ihr steckt. Es gibt nichts schöneres, als einem Irish Setter zuzusehen, der weiträumig und schnell das Gelände absucht und bei Wildwitterung gebannt in ausdrucksvoller Vorstehpose verharrt. Das nachfolgende Foto wurde in der Bretagne aufgenommen.

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Shannon zeigt ausdrucksstarkes Vorstehen

 Herbst, 1999

 

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